Die Brunftzeit der Hirsche

Noch nie habe ich bis jetzt die Brunftzeit der Rothirsche erlebt.

Und so nahm ich mir Anfang Oktober fest vor in den Wald zu fahren, um diese besondere Zeit der scheuen Tiere zu beobachten.

Ich packte in meinen Rucksack vor allem Geduld, Zeit und Glück ein.

Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, als ich an meinem Beobachtungspunkt im Wald ankam.

Auf der Lichtung und auch auf der Beobachtungsplattform war bereits einiges los.

Menschen, ausgerüstet mit Fernglas und Kamera saßen in der Abenddämmerung und starrten gespannt in die Ferne.

Ich hatte mich gerade niedergelassen, da war das erste laute Röhren des Hirsches zu hören.

Stolz und mit erhobenem Haupte lief er den Hirschdamen hinterher.

Während der Brunftzeit, die Anfang September beginnt und bis Oktober dauert, gestatten die Hirschkühe dem sogenannten Platzhirsch den Aufenthalt in ihrem Rudel und er hat die Erlaubnis sich mit den Hirschkühen „seines“ Rudels zu paaren.

Außerhalb dieser Zeit leben die männlichen Hirsche in gleichgeschlechtlichen Rudeln, ebenso die Hirschkühe mit ihren Kälbern.

Deren Rudel wird auch Kahlwildrudel genannt.

Die älteren Hirsche sind teilweise auch als Einzelgänger, oder mit einem sogenannten jüngeren Beihirsch unterwegs.

Mich beindruckte das mächtige Geweih, dass auf dem Haupte des Hirsches trohnte.

So wundert es mich nicht, dass dem majestätischen Tier oftmals der Name „König des Waldes“ zugetragen wird.

Der Mann neben mir sprach von einem 14-Ender.

Was hat es damit auf sich?

Erwachsene Hirsche können oftmals 6 oder 7 Enden an einer Geweihstange haben, manchmal auch über 10.

Haben die Geweihstangen des Hirsches die gleiche Endenzahl sprechen wir von einem „geraden“ ansonsten von einem „ungeraden“ 12 bzw. 14- Ender.

Somit hatte dieser Hirsch, der vor mir auf dem Brunftplatz die Damen versuchte zu beeindrucken 7 Enden an einer Geweihstange.

Jedes Frühjahr wirft der „König der Wälder“ sein Geweih ab und es schiebt sich ein Neues nach, welches die erste Zeit noch von einer feinen Schutzhaut, der sogenannten „Basthaut“ überzogen ist.

Rechtzeitig bis zur nächsten Brunftzeit, ist das neue Geweih dann wieder voll ausgebildet.

Und nicht nur mit seinem Geweih beeindruckte der Platzhirsch vor mir, NEIN – da stieg mir ein intensiver Duft in die Nase – der Brunftgeruch.

Durch diesen „Körpergeruch“, der während der Brunftzeit besonders intensiv ist, versucht der Hirsch seinen Rivalen seine Kampfbereitschaft zu demonstrieren, ebenso durch das Röhren oder das Schlagen des Geweihs an Bäume.

Die Brunftzeit ist für die Hirsche eine körperlich sehr anstrengende Zeit.

Sie nehmen während der Brunftzeit kaum Nahrung zu sich, sondern verbrauchen ihre Reserven, die sie über den Sommer angesammelt haben.

Sobald die Hirsche wieder mit der Nahrungsaufnahme beginnen, kann das ein Hinweis sein, dass die Brunftzeit sich dem Ende neigt.

Die Dunkelheit brach herein und erschwerte mir die Sicht auf das Geschehen auf der Lichtung.

Doch plötzlich war aus der Ferne nicht nur das Röhren zu vernehmen, sondern auch ein Zusammenschlagen von Geweihstangen.

Da kämpften wohl ein paar Hirsche um ihren Rang.

Nur wenn es dem Platzhirsch nicht gelingt, die anderen männlichen Rivalen durch Röhren und Duft zu vertreiben, kann es zu Kämpfen unter den Hirschen kommen, wobei sie ihre Geweihstangen aneinanderschlagen und sich gegenseitig mit ihrem Geweih über den Boden schieben.

In manchen Fällen gehen solche Kämpfe auch tödlich zu Ende.

Wenn der Platzhirsch die Hirschkühe seines Rudels erfolgreich gedeckt hat, bringen diese im Frühjahr ein, selten zwei Kälber zur Welt.

Und dann geht das Naturschauspiel der Brunftzeit im Herbst wieder von neuem los.

Für mich war dieser Moment und diese Erfahrung ein wundervolles Ereignis.

In der Dämmerung im Wald sitzend, das Fernglas fest umklammert und abwartend was nun passiert, oder aber auch nicht.

Denn das hat mich die Zeit des Wartens dort gelehrt, man weiß nicht, was kommt – werden sich die Tiere zeigen und ihr Revier gegen ihre Rivalen verteidigen oder bleibt es ruhig.

Und jedes Mal huschte ein Lächeln über mein Gesicht und ein Gefühl der Dankbarkeit machte sich in mir breit, wenn die ersten Tiere langsam und zaghaft aus dem Wald hervorkamen.